Hexatregli und Walfischrugga

Wie Gegenden rund um St. Anton am Arlberg zu ihren teils seltsamen Flurnamen kamen.

Wo sind Ihre Lieblingsplätze rund um St. Anton am Arlberg: auf der „Neaderseita“ oder auf der gegenüberliegenden Talseite? Bei der Entscheidung hilft es zu wissen, dass es sich bei der „Neaderseita“ um die Schattseite im Gegensatz zur „Sunnseita“ handelt.

Ein Trost für Gäste: Auch Einheimische sind nicht mehr ganz so vertraut mit alten Flurnamen und Ortsbezeichnungen, denn diese verschwinden zusehends aus dem Wortschatz. Weil damit ein wichtiges Kulturgut abhandenkommt, bemüht sich St. Anton am Arlberg gemeinsam mit dem Landesarchiv Tirol, die alten Flurnamen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Tanzende Kühe


Mitten im Skigebiet liegt der „Tanzbouda“, der Tanzbodenlift ist nach ihm benannt. Hier sind aber keine Tänzer die Namensgeber. Gemeindeförster Otto Jehle vermutet, dass die hier weidenden Kühe ihre Hinterteile zum an dieser Stelle abrupt einfallenden Wind gedreht haben. Das schaute dann aus, als würden die Kühe tanzen.

Tanzböden Bergstation im Winter
Stiegenegg Kapelle im Verwall

Die Hexe von Stiegenegg


Die Überlieferungen schrecklicher Geschichten haben für entsprechende Flurnamen wie „Hexatregli“ gesorgt. Der Sage nach soll eine Hexe ein Kind entführt haben. Als sie es an die Felswand drücken wollte, um es umzubringen, wich der Fels zurück, der Stein ließ sich vom Elend erweichen. Am Verwallweg nach der Stiegeneckkapelle ist rechts am Hang noch der angebliche Abdruck von Kopf und Körper des Kindes eingekerbt.

Sammlung der Flurnamen


St. Anton am Arlberg ist mit 165 Quadratkilometern eine der größten Gemeinden Tirols. Es gibt am Arlberg somit schon wegen der geografischen Ausdehnung viele, heißt ca. 1.200 Flurnamen. Um deren Erhalt haben sich zwei Gemeindemitarbeiter verdient gemacht: Förster Otto Jehle kennt von Berufs wegen viele alte Ortsbezeichnungen. Mit Jehle‘s Hilfe und der Unterstützung weiterer Kenner der Region trug Robert Spiss gewissenhaft alle noch bekannten Flurnamen in eine Gemeindekarte ein – im Arlberger Dialekt. Viele Flurnamen waren bislang nur mittels mündlicher Überlieferung erhalten.

Ausschnitt aus der Flurnamenkarte der Gemeinde St. Anton
Loarfa am Kapall

Neue Namen entstehen


Gibt es außer Straßenbezeichnungen auch Flurnamen, die in unserer Zeit entstehen, trotz der flächendeckenden Verwendung von GPS? Ja, meinen die St. Antoner Experten. Wenn die Skilehrer zum Beispiel ihren Gruppen eine bestimmte Stelle auf der Piste erklären wollen, erfinden sie zu diesem Zweck immer wieder neue Namen. Einige davon wird man vielleicht irgendwann in den Neuauflagen alter Flurnamenkarten lesen können.


Die "Loarfa": Bei entsprechender Sonneneinstrahlung erscheinen am Hang unterhalb der Kapall-Bergstation durch den Schatten des Bergrückens deutlich erkennbare Gesichtszüge, genannt „Loarfa“ (Larve).

Flurnamen und Dialekt Guide

Rifa“

ein steiler Murenanbruch

„Schrofa“

ein Fels

„Mad“

Ort, wo früher gemäht wurde

„Gampa“

breite, meist ebene und höher gelegene Fläche

„S´Krama“

Platz mit dichtem Wacholderbewuchs

„Kohlplatzli“

Stelle, an der früher geköhlert wurde

„Astwald“

vermehrter Auftritt von Bäumen mit astigem Holz

„Maß“

weist auf frühere Brandrodung hin

„Fleischpleiß“

(zum Beispiel im Faslfad): lässt vermuten, dass im steilen Gelände oft Tiere abstürzten

„Schafgliger“

Ort, wo früher gerne Schafe lagen

„Gaßsteig“

Steig, über den Ziegen getrieben wurden

„Bärensprung“

(Streckenteil der Weltcup-Abfahrt): Namensgebung nicht geklärt, vermutlich wird es sich auf einen wilden Bären beziehen.

„Walfischrugga“

Das Gelände erscheint bei gewissem Lichteinfall wie ein großer Fisch.

„Loarfa“

(Örtlichkeit im Norden St. Antons): Dieser Bereich bezieht seinen Namen von der Wirkung aus der Ferne, denn er nimmt sich bei entsprechendem Sonnen-Schattenspiel wie eine Fasnachts-Larve aus.


Skizze eines Walfisches und Bären